Bayerischer Rundfunk Direktorin erhielt rund 500.000 Euro für Nebentätigkeiten

Stand: 24.09.2022 | Lesedauer: 4 Minuten

Von

Nathan Giwerzew,

Martin Lutz

Birgit Spanner-Ulmer, die als BR-Direktorin rund 266.000 Euro im Jahr verdient, bekam jahrelang ein fettes Zubrot. Dabei handelt es sich um Aufsichtsratsmandate bei einem Stahlkonzern und einer Produktionsfirma. Nun soll Schluss damit sein. Fastnacht in Franken: BR-Technikchefin Birgit Spanner-Ulmer feierte 2019 gemeinsam mit ihrem Direktorenkollegen Reinhard Scolik. Er kam verkleidet als Modezar Rudolph Moshammer
Quelle: Volker Danzer/pa

Dienstagabend, Bayerischer Rundfunk (BR). Im Fernsehen läuft eine Dokumentation mit dem Titel "Wasserstoff: Die Kohle der Zukunft?" Zu sehen sind Hochöfen, Schornsteine und Industrieanlagen. Im Zentrum des Films steht eine gewichtige Frage: Wie können aus Klimasündern wie Stahlkonzernen Vorreiter beim Klimaschutz werden?

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Nach sechs Minuten wird ein Unternehmen als Positivbeispiel präsentiert: die Salzgitter AG, einer der größten Stahlkonzerne Europas. Mitarbeiter kommen zu Wort, kündigen eine CO2-neutrale Stahlproduktion bis 2050 an. Der Tenor des Beitrags: auffällig wohlwollend, etwaige kritische Nachfragen werden nicht gesendet.

Was der Zuschauer nicht erfährt, ist, dass es zwischen dem BR und der Salzgitter AG eine ganz besondere personelle Verflechtung gibt: Birgit Spanner-Ulmer, seit 2012 Technikdirektorin des Senders, sitzt im Aufsichtsrat des Stahlriesen - und wird dafür fürstlich entlohnt. Schon mit ihrem Hauptjob verdient die 60-Jährige rund 266.000 Euro im Jahr.

Oben drauf sind - der Salzgitter AG sei Dank - seit April 2016 weitere 440.000 Euro gekommen. Anfangs war das Mandat mit 46.500 Euro jährlich vergütet, 2021 steigerte sich der Betrag auf 67.500 Euro und in diesem Jahr auf 68.500 Euro.

Ulrich Wilhelm war vom 1. Februar 2011 bis zum 31. Januar 2021 Intendant des Bayerischen Rundfunks
Quelle: dpa-infocom GmbH

Leidet darunter die journalistische Unabhängigkeit des BR, seine Glaubwürdigkeit? Im Zuge der Diskussionen um bislang geheime Vorgänge im riesigen Apparat des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks (ÖRR) sorgt der Fall Spanner-Ulmer intern für Unruhe.

Fakt ist: Selbst für den kommissarischen ARD-Chef Tom Buhrow gleicht manch eine Anstalt einer Blackbox. Nach den Skandalen beim RBB und beim NDR sagte er kürzlich: "Auch als ARD-Vorsitzender gucken Sie nicht in die einzelnen Sender hinein." Dabei wäre ein Blick in den Bayerischen Rundfunk, dem mit rund 3500 Angestellten und 1700 freien Mitarbeitern viertgrößten Sender im ARD-Verbund, offenbar besonders lohnenswert. Gerade erst hat auch Bayerns Oberster Rechnungshof Sparen bei den Münchnern angemahnt, die eine Deckungslücke von 465 Millionen Euro stopfen müssen.

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Dort hat die Führungsspitze bemerkenswerte Nebentätigkeiten genehmigt. Bei Spanner-Ulmer war es der damalige Intendant Ulrich Wilhelm, der einst Kanzlerin Angela Merkel und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber als Regierungssprecher gedient hatte. WELT AM SONNTAG sagte er: "Ich habe die Nebentätigkeit unter der klaren Maßgabe ermöglicht, dass der Hauptberuf beim BR darunter nicht leiden darf."

Seit Januar 2016 seien börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen gesetzlich zu einer Frauenquote von 30 Prozent im Aufsichtsrat verpflichtet. Die Salzgitter AG habe sich mit der Bitte an Spanner-Ulmer gewandt, einzusteigen. Also habe er zugestimmt.

Spanner-Ulmer ist beim BR verantwortlich für die Fernseh- und Hörfunkproduktion sowie alle Angelegenheiten, die im Zusammenhang mit der Produktions- und Sendetechnik stehen. Für die Teilnahme an Sitzungen des Aufsichtsrates der Salzgitter AG war mit Wilhelm vereinbart worden, dass sie dafür jeweils Urlaubstage abbauen müsse.

Die Frage, ob dies so gehandhabt wurde, wollte die Anstalt nicht genau beantworten. Spanner-Ulmer nehme "alle Sitzungstermine bei der Salzgitter AG außerhalb ihrer Arbeitszeit beim BR wahr". Die Direktorin entschloss sich nach einem intensiven Austausch mit Wilhelms Nachfolgerin Katja Wildermuth, ihre Nebentätigkeit im Aufsichtsrat der Salzgitter AG zu beenden - nach Informationen von WELT AM SONNTAG allerdings erst im Mai 2023. Wildermuth, die seit dem 1. Februar 2021 im Amt ist, begrüße die "persönliche Entscheidung von ihr", heißt es innerhalb des BR.

Katja Wildermuth ist seit dem 1. Februar 2021 Intendantin
Quelle: picture alliance/dpa

Die Technikdirektorin übt aber noch weitere bezahlte Nebentätigkeiten aus: Spanner-Ulmer ist Mitglied im Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft, wofür es jährlich eine Aufwandspauschale in Höhe von 6500 Euro und zusätzlich 1000 Euro pro Sitzung gab. Die Gesamtsumme und den Zeitraum der Zahlungen will der Zukunftsrat nicht nennen.

Zudem bekam sie als Vorsitzende des Aufsichtsrats der Bavaria Studios & Production Services GmbH seit August 2019 rund 43.000 Euro. Die Firma ist ein wichtiger Dienstleister für den BR und die gesamte ARD. Ihr Geschäftsbereich "Studios & Services" betreibt auf dem Areal in Geiselgasteig bei München eine berühmte Filmstadt.

ARD-Chef Buhrow macht es schon seit seinem Amtsantritt 2015 als Intendant des Westdeutschen Rundfunks (WDR) anders: Obwohl sich seine Nebeneinkünfte aus Aufsichtsratsposten und anderen Gremien im Bereich der Öffentlich-Rechtlichen auf einen fünfstelligen Betrag summieren, behält er persönlich bloß 6000 Euro pro Jahr.

Sender will Nebeneinkünfte mit "ARD- oder BR-Bezug" ab 2023 deckeln

Nach den Skandalen bei den anderen Sendern schlägt nun auch der BR diesen Weg ein: Die Summe solcher jährlichen Nebeneinkünfte soll auf 5000 Euro gedeckelt werden - aber erst ab Januar kommenden Jahres. Die neue Regelung gelte für alle Nebentätigkeiten, die einen "ARD- oder BR-Bezug" haben.

Auch eine andere BR-Personalie sorgt derweil für Aufsehen - die von Kultur-Programmdirektor Reinhard Scolik. Ex-Intendant Wilhelm hatte den heute 64-Jährigen 2016 vom ORF geholt - und seinen Vertrag im Sommer 2020 bis September 2024 verlängert.

Doch die Chemie zwischen Scolik und Wildermuth stimmte nicht. Es kam es zum Zerwürfnis, das für den Sender teuer wurde. Scoliks Abfindung war so hoch wie bei einem Industriekonzern: fast 700.000 Euro.


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